Barrierefreiheit und der Handlungsbedarf für Unternehmen bis 2025

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Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) setzt eine Richtlinie des Europäischen Parlaments in Deutschland um. Das Gesetz wurde im Juli 2021 verkündet und tritt am 28. Juni 2025 in Kraft. Ziel ist die Sicherstellung der Barrierefreiheit, um allen Menschen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Dieses Gesetz betrifft Produkte und Dienstleistungen, die nach dem 28. Juni 2025 in Verkehr gebracht werden. Den Bundesländern obliegt, im Rahmen eine Marktüberwachung, die Kontrolle der Einhaltung dieser Vorgaben.

Barrierefreiheit bedeutet, dass allen Menschen ein ungehinderter Zugang zum kulturellen und politischen Leben, zur Arbeitswelt und zu Angeboten in der Freizeit gewährleistet wird. Die Barrierefreiheit sollen Menschen mit und ohne Behinderung die Zugänglichkeit zu Arbeitsstätten, Wohnungen, Verkehrsmitteln, Dienstleistungen und Freizeitangeboten ohne fremde Hilfe sicherstellen und somit ein allen Menschen ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen. Dies schließt digitale Angebote wie eine Website, die App auf dem Smartphone oder ein Selbstbedienungsterminal ausdrücklich ein.

Dieser Anspruch wird natürlich in Richtlinien und Gesetzen abgebildet. Von der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) aus dem Jahr 2006, über das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) und die daraus abgeleitete Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV) bis zu einer DIN Norm (18040-2) für barrierefreies Bauen gibt es ein entsprechendes Rahmenwerk. Allerdings enthielt dieser rechtliche Rahmen bisher für die Privatwirtschaft keine bindenden Verpflichtungen.

Dies hat sich mit dem European Accessibility Act (EAA) und dem Gesetz zur Umsetzung dieser Richtlinie, dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG), geändert. Das BFSG wurde am 22. Juli 2021 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und gilt grundsätzlich für Produkte, die nach dem 28. Juni 2025 in den Verkehr gebracht werden, sowie für Dienstleistungen, die für Verbraucherinnen und Verbraucher nach dem 28. Juni 2025 erbracht werden. Die konkreten Anforderungen an die Barrierefreiheit für Produkte und Dienstleistungen wurden im Rahmen einer Rechtsverordnung geregelt (Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz – BFSGV).

Bezogen auf die Gesamtbevölkerung zum Jahresende 2021 waren 9,4 % der Menschen in Deutschland schwerbehindert. Nur ein kleiner Teil davon ist einer angeborenen Behinderung zugeordnet. Der überwiegende Teil der Behinderungen wurde, meist durch Krankheiten, im Laufe des Lebens erworben. Weit über die Hälfte gehört der Altersgruppe 50+ an.

Der technische Standard für die digitale Barrierefreiheit ist in Europa in der Norm EN 301 549 gefasst. Weltweit dienen die „Web Content Accessibility Guidelines“ (WCAG) als Referenz (und auch die EN 301 549 bezieht sich auf diese Richtlinie).

Nicht alle Unternehmen, Produkte oder Dienstleistungen sind vom BFSG betroffen. Entscheidend ist hier § 1 Absatz 2 und Absatz 3 im BFSG. Dort werden alle Produkte und Dienstleistungen aufgezählt, die in den Anwendungsbereich fallen.
Ausgenommen sind bei Dienstleistungen Kleinstunternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten und einem Jahresumsatz bis maximal 2 Millionen Euro. Für Produkte gilt diese Beschränkung nicht.
Barrierefreiheit wird im BFSG in § 3 Absatz 1 Satz 2 so definiert, dass die Produkte oder Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind.

Nicht unerheblich ist die Anforderung, dass die Barrierefreiheit der Produkte in einer technischen Dokumentation festgehalten werden muss (Anlage 2 des BFSG). Die Barrierefreiheit eines Produktes muss vom Hersteller und, bei Produkten aus Drittländern, vom Importeur sichergestellt werden. Ein Händler darf nur Produkt verkaufen, die diesen Anforderungen genügen (§ 11 BFSG).
Die im BFSG genannten Produkte könnten als „digitale Endgeräte“ beschrieben werden – zum Beispiel:

  • Computer, Notebooks, Tablets, Smartphone, Mobiltelefone
  • Selbstbedienungsterminals: Geldautomaten, Fahrausweis- und Check-in-Automaten
  • Fernsehgeräte mit Internetzugang
  • E-Book-Lesegeräte
  • Router

Bei Dienstleistungen muss der Leistungserbringer dokumentieren, wie die Anforderungen des BFSG erfüllt wurden (Anlage 3 Nr. 1 des BFSG). Die aufgeführten Dienstleistungen umfassen:

  • Telefondienste
  • E-Books
  • Messenger-Dienste
  • auf Mobilgeräten angebotene Dienstleistungen (inklusive Apps) im überregionalen Personenverkehr
  • Bankdienstleistungen
  • elektronischer Geschäftsverkehr
  • Personenbeförderungsdienste

Ganz eindeutig sind Online-Shops betroffen. Dies betrifft nicht nur den Verkauf von Produkten, sondern auch alle Dienstleistungen, die über Websites oder Apps mit Abschluss eines Verbrauchervertrages zu Stande kommen. Der „elektronische Geschäftsverkehr“ umfasst grundsätzlich alle geschäftlichen Transaktionen und auch die reine Geschäftsanbahnung, die über eine Website vorgenommen werden können. In den Leitlinien zum BFSG wird die online Terminvereinbarung beim Friseursalon explizit als Beispiel genannt. Die Buchung von Terminen für Dienstleistungen über eine Website, selbst wenn die Dienstleistung als solche nicht unter das BFSG fällt, werden vom BFSG damit erfasst. Wichtig ist darüber hinaus, dass auf den Websites, analog zur schon vorhandenen Datenschutzerklärung, nun eine “Erklärung zur Barrierefreiheit” vorhanden sein muss. Bereits vor dem 28. Juni 2025 vorhandene Inhalte der Website (PDF-Dokumente oder z.B. YouTube Videos) können in der Regel weiter genutzt werden.

Da sich das BFSG ausdrücklich an Endverbraucher und Verbraucherinnen richtet, dürften Produkte und Leistungen im Bereich B2B kaum betroffen sein.

Die Marktüberwachungsbehörde kontrolliert die Einhaltung dieser Vorgaben. Sie kann entsprechend Produkte aus dem deutschen Markt verbannen oder die Einstellung der Dienstleistungserbringung anordnen. Außerdem kann die Behörde ein Bußgeld von bis zu 100.000 Euro verhängen (§ 36 BFSG). Neben der Kontrolle durch die Marktüberwachungsbehörde können Endverbraucher:innen oder Verbände Ansprüche geltend machen. Außerdem ist es denkbar, dass wettbewerbsrechtliche Betrachtungen dazu führen, dass Mitbewerber einen Anbieter abmahnen.