Intelligent Design

Wie entsteht ein „Next Generation“ Konzept – durch Evolution oder einen intelligenten Designer?

Komplexität ist ein Zeichen für die Existenz eines intelligenten Designers. Das gilt insbesondere für die Entwicklung von state-of-the-art Lösungen im Internet. Diese Aussage wird allerdings in der Regel den Kritikern der Evolutionstheorie zugeschrieben (Vertreter, primär in den USA zu finden, einer durchaus unterhaltsamen Bewegung die sich als „Junk Science“ charakterisieren lässt).

Ein häufig angeführtes, sehr einfaches Beispiel besagter Überzeugungstäter: eine Mausefalle kann nur funktionieren, wenn alle Teile an ihrem Platz sind. Fehlt ein Teil, ist die Mausefalle ein Objekt ohne Sinn. Die Mausefalle verlangt also nach Planung, nach einem Konzept und kann nicht zufällig entstehen. Gleiches gilt aus Sicht der Schöpfungsapologeten für das Säugetierauge oder komplexe Fangapparate von fleischfressenden Pflanzen.

Zumindest bei der Mausefalle ist dieser Ansatz leider falsch, denn es lassen sich durchaus noch sinnvolle Dinge mit einzelnen Teilen basteln: andere, aber durchaus sinnvolle Dinge. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Briefbeschwerer, einem Papierclip oder einem Angelhaken… aber zurück zu den digitalen Welten.

Ein Webshop ohne Warenkorb und einer ausreichenden Sortimentstiefe kann nicht funktionieren. Diese Aussage lässt sich empirisch belegen und scheint wahr zu sein. Gäbe es kein www.woot.com [1] würden wir diese Aussage heute noch als Tatsache akzeptieren (www.woot.com ist der erste Shop der nur einen Artikel je Tag anbietet und wohl eines der am besten funktionierenden social commerce Beispiele der letzten Jahre).

Hier sieht man, Intelligent Design funktioniert auf wundersame Weise. Es ist wesentlich, dass man das bisherige Wissen immer wieder hinterfragt und nichts, wirklich nichts, als gegeben ansieht. Wie sonst wäre der Schritt vom geozentrischen Weltbild des Mittelalters zum heliozentrischen der Neuzeit oder von Amazon zu woot.com denkbar gewesen. Die Entwicklungen des Webs, wie auch die „moderne“ Wissenschaft, beruht in wesentlichen Teilen auf einem empirischen Ansatz. Erfahrung und sinnliche Wahrnehmung sind die Basis für den Erkenntnisprozess. Aber das Einzige, was für den Empirismus spricht, ist doch, dass er erfahrungsgemäß bisher immer funktioniert hat. Der Empirismus ist also ausschließlich in sich selbst begründet – es sei denn, man glaubt an ihn. Oder, um ein plastisches Beispiel zu benennen, dem Empirismus zufolge sind wir unsterblich, denn wir sind noch nie an irgendwas gestorben und haben eben keine entsprechenden Erfahrungen gemacht.

Wollen wir mit einem Projekt ein „Next Generation“ Erlebnis schaffen, dann müssen wir uns über den Empirismus erheben und über Schranken hinweg blicken. Das Kopieren und wiederholte Aufkochen von alten, durchaus erfolgreichen Ideen scheint der sichere Weg zu sein und wird von der weitaus größten Zahl aller Online-Angebote verfolgt – wobei „alt“ nicht nur im Internet ein sehr relativer Begriff ist (ist die Erde nun 4.5 Mrd. Jahre oder nur 6.500 Jahre alt…?).

Ich überlasse es Ihnen, ob Sie für die Entwicklung von interaktiven, digitalen Medien an Darwins Theorie eines natürlichen Prinzips der Evolution durch graduelle Variation und natürliche Selektion glauben oder lieber das Konzept eines intelligenten Designers bevorzugen. Mit Sicherheit verändern sich die technischen Rahmenbedingungen für digitale Medien in Windeseile und damit entstehen auf der einen Seite neue Nischen und auf der anderen erhöht sich der Druck auf bestehende Angebote. Dass zum Beispiel spiegel.de eine Tagcloud in das ansonsten unveränderte Angebot einbaut, könnte als graduelle Variation und Anpassung an eine veränderte (digitale) Umwelt beschrieben werden (oder auch als völliger Unsinn). Selbst Angebote wie technorati.com oder flickr.com (die bei Google das maximale Page Ranking von 10 aufweisen) können primär als Reaktion auf Umweltveränderungen erklärt werden. Bei einem harten Bruch mit allen bisher gesammelten Erkenntnissen wie es www.woot.com durchgezogen hat, bin ich aber der festen Überzeugung, dass hier ein intelligenter Schöpfer seine Finger im Spiel hatte.

Bild © NASA und STScI